Viele Menschen mit chronischen Schmerzen kennen ihn: den Satz „Sie müssen lernen, damit zu leben.“ Er fällt oft, wenn medizinische Befunde unklar sind oder keine strukturelle Ursache gefunden wird. Was vielleicht als tröstlich oder realistisch gemeint ist, hat fatale Folgen.
Was dieser Satz auslöst
Wer so etwas hört, erlebt oft:
- Hoffnungslosigkeit – „Wenn selbst die Ärztin nichts tun kann, bleibt es wohl für immer.“
- Passivierung – „Warum sollte ich noch etwas versuchen?“
- Retraumatisierung – alte Erfahrungen von „nicht ernst genommen werden“ werden wach.
- Verstärkung des Angst-Schmerz-Zyklus – die Angst, ausgeliefert zu sein, treibt das Nervensystem noch tiefer in Alarmbereitschaft.
So wird genau das begünstigt, was man verhindern wollte: Chronifizierung.
Warum die Botschaft nicht stimmt
Die Aussage suggeriert: Schmerz ist unveränderbar.
Doch das widerspricht den modernen Erkenntnissen der Schmerzforschung.
- Schmerz ist nicht einfach ein „Schadenssignal“, sondern das Ergebnis komplexer Bewertungen im Gehirn.
- Bei noziplastischen Schmerzen ist das Nervensystem überempfindlich geworden – es meldet Gefahr, obwohl kein Schaden mehr vorliegt oder je vorhanden war (mehr dazu hier).
- Das Entscheidende: Das Gehirn ist neuroplastisch. Es kann lernen, Schmerz anders zu bewerten – und wieder „herunterzuregeln“.
Was die Forschung zeigt
- PRT (Pain Reprocessing Therapy): vermittelt Betroffenen, dass Schmerz ein veränderbares Signal des Nervensystems ist. Studien zeigen: Viele Patient:innen konnten ihre Schmerzen dadurch deutlich reduzieren.
- EAET (Emotional Awareness and Expression Therapy): hilft, unterdrückte Gefühle wahrzunehmen und zu verarbeiten. Auch das kann Schmerz nachhaltig senken (EAET im Detail).
Beide Verfahren nutzen gezielt die Neuroplastizität – also die Fähigkeit des Gehirns, sich zu verändern und Fehlalarme zu verlernen.
Ein notwendiger Paradigmenwechsel
Statt „Damit müssen Sie leben“ brauchen Patient:innen neue Botschaften:
- „Ihr Schmerz ist echt – und er ist veränderbar.“
- „Das Nervensystem kann wieder lernen, sich zu beruhigen.“
- „Sie haben aktive Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen.“
Damit entsteht, was Patient:innen am meisten brauchen: Hoffnung, Orientierung und Handlungsfähigkeit.
Fazit
Der Satz „Sie müssen lernen, damit zu leben“ kann mehr Schaden anrichten als Nutzen.
Er raubt Hoffnung, verstärkt Angst und fördert Chronifizierung.
Die moderne Schmerzforschung zeigt: Chronische Schmerzen sind veränderbar.
Mit gezielten Ansätzen wie PRT, EAET und moderner Schmerzedukation können Betroffene aktiv aus dem Angst-Schmerz-Zyklus aussteigen – Schritt für Schritt.

Dr. Antje Kallweit
– Gründerin und CEO von HELP, Fachärztin für Anästhesiologie, Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie
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