HELP-Blog-Kategorie_Chronischer-Schmerz
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EAET vs. Verhaltenstherapie: Fühlen statt nur Denken 

Viele Menschen mit chronischen Schmerzen kennen es: In Stressphasen, nach Konflikten oder bei belastenden Erinnerungen verstärken sich die Beschwerden. Diese Beobachtung ist kein Zufall – denn Emotionen und Schmerz sind im Gehirn eng verknüpft. 

Die Emotional Awareness and Expression Therapy (EAET) nutzt genau diese Verbindung therapeutisch. Sie geht davon aus, dass unterdrückte Gefühle wie Wut, Trauer oder Angst das Nervensystem dauerhaft im Alarmzustand halten und damit Schmerz verstärken können. 

Doch wie unterscheidet sich dieser Ansatz eigentlich von der klassischen kognitiven Verhaltenstherapie (KVT), die seit Jahrzehnten Standard in der Schmerzpsychotherapie ist? 

 

Verhaltenstherapie: Denken verändern, Verhalten anpassen 

Die KVT arbeitet vor allem mit Gedanken und Bewertungen: 

  • Kognitionen prüfen: Welche Gedanken verstärken Schmerz und Stress? 
  • Bewertungen ändern: Negative Denkmuster realistisch umdeuten. 
  • Strategien erlernen: Mit Achtsamkeit, Entspannung oder Aktivitätsaufbau den Alltag besser bewältigen. 

 

KVT hilft vielen Menschen, mit Schmerz besser umzugehen. Akzeptanz und Kompensation stehen im Fokus. Ziel ist es hierbei nicht, den Schmerz oder die Intensität zu verändern.  

Doch bei noziplastischen Schmerzen, die unter anderem durch eine überaktive Schmerzverarbeitung im Nervensystem entstehen, reicht die reine Arbeit an Gedanken oft nicht aus. 

 

EAET: Gefühle zulassen, Nervensystem beruhigen 

EAET geht einen Schritt weiter – oder besser gesagt: tiefer. 

  • Gefühle erkennen: Viele Betroffene haben gelernt, Emotionen zu vermeiden oder zu unterdrücken. 
  • Gefühle verstehen: Schmerz kann ein Signal ungelöster innerer Konflikte sein. 
  • Gefühle ausdrücken: Durch Erleben und Ausdruck (z. B. durch Sprache, Körperarbeit, Schreiben) kann das Nervensystem wieder Sicherheit lernen. 

 

Statt nur das Denken zu verändern, verändert EAET also das Fühlen und greift damit direkt auf die Netzwerke zu, die Schmerz im Gehirn verstärken. 

 

Warum EAET oft stärker wirkt 

Forschung zeigt: EAET erzielt bei Fibromyalgie und muskuloskelettalen Schmerzen stärkere Effekte auf Schmerzintensität und Lebensqualität als klassische Verhaltenstherapie (Lumley et al., 2017; Yarns et al., 2024). 

Die Gründe: 

  • Direkter Einfluss auf das Bedrohungssystem: Unterdrückte Gefühle aktivieren das Salienznetzwerk. EAET beruhigt es durch neue emotionale Erfahrungen. 
  • Körperlich spürbare Veränderung: Wenn Wut, Trauer oder Angst bewusst zugelassen werden, erleben viele Patient:innen unmittelbar Entlastung – ein Effekt, den kognitive Strategien allein oft nicht erreichen. 
  • Neurobiologische Wirkung: Studien mit funktioneller Bildgebung zeigen, dass emotionale Neubewertung Hirnareale für Sicherheit aktiviert und Schmerznetzwerke dämpft – ähnlich wie bei Reattribution und Hoffnung. 

 

EAET in HELP 

In HELP sind Elemente der EAET fest integriert: 

  • Expressives Schreiben, um belastende Gefühle strukturiert auszudrücken. 
  • Audioübungen und somatische Übungen, die das bewusste Wahrnehmen und Spüren von Emotionen anleiten. 
  • Alltags-Tools, die helfen, Gefühle als Wegweiser statt Bedrohung zu nutzen. 

 

So wird klar: EAET ist nicht nur eine andere Technik, sondern ein grundlegend anderer Zugang zu chronischem Schmerz – einer, der über das Denken hinausgeht und das Fühlen in den Mittelpunkt stellt. 

 

Fazit – Fühlen statt Vermeiden 

Verhaltenstherapie und EAET schließen sich nicht aus. Doch gerade bei noziplastischen Schmerzen zeigt sich: EAET wirkt dort, wo Denken allein nicht reicht. 
Wer lernt, Emotionen sicher zu fühlen, kann das Nervensystem entlasten – und so Raum schaffen für weniger Schmerz und mehr Lebensqualität. 

 


Literatur

  • Lumley, M.A., et al. (2017). Emotional awareness and expression therapy, cognitive-behavioral therapy, and education for fibromyalgia: a randomized controlled trial. Pain, 158(12), 2354–2363. 
  • Yarns, B.C., et al. (2024). Emotional Awareness and Expression Therapy vs Cognitive Behavioral Therapy for Chronic Pain in Older Veterans: A Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open, 7(6), e2415842. 
  • Ziadni, M.S., You, D.S., Johnson, L., Lumley, M.A., Darnall, B.D. (2020). Emotions matter: The role of emotional approach coping in chronic pain. Eur J Pain, 24(9), 1775–1784. 
  • Maroti, D., Frisch, S., Lumley, M.A. (2025). To feel is to heal – Einführung in die „Emotional Awareness and Expression Therapy“. Schmerz, 39(4), 256–262. 
Dr. Antje Kallweit

Gründerin und CEO von HELP, Fachärztin für Anästhesiologie, Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie

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